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Digital Transformation Perpetual Disruption

Das Konzept der Perpetual Disruption.

Erfreulicherweise findet der Begriff „Perpetual Disruption“ mehr und mehr Anklang. Seit ich ihn im t3n Artikel aufgebracht habe, erhalte ich fast täglich positive Rückmeldungen, Anregungen und zum Glück auch Kritik. Teilweise stelle ich fest, dass Gesprächspartner „Perpetual Disruption“ einfach als belangloses Buzzword wahrnehmen. Höchste Zeit also, das Konzept kurz anschaulich zu erklären.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Was ist die Perpetual Disruption

Der Ausdruck „Perpetual Disruption“ steht zum einen für ein Zeitalter, indem die bis jetzt beobachteten Wellen von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erneuerungen und Umbrüchen durch einen Zustand des konstanten Wandels ersetzt wird.

Zum anderen beschäftige ich mich damit, wie ein Unternehmen aufgestellt sein muss, um in einer solchen Umgebung langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Auch diese Erkenntnisse habe ich unter dem Begriff „Perpetual Disruption (Business Structure)“ zusammengefasst. Es gibt bereits ziemlich viel Material dazu, das ich in Gesprächen mit Entscheidungsträgern in Unternehmen erarbeitet habe. Dieser Artikel beschäftigt sich jedoch nur mit den Grundlagen des Wandels, ohne den Business Teil.

Warum ist es heute wichtig über die „Perpetual Disruption“ zu sprechen?

Weite Teile der Wirtschaft haben noch nicht realisiert, dass der beschleunigte Wandel die Spielregeln wie Wertschöpfung generiert wird, grundlegend verändern wird. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um die von Schumpeter eingeführte „Schöpferische Zerstörung“. Diese ist also alles andere als neu. Die heutigen veränderten Faktoren liegen in der Geschwindigkeit, in der diese „Schöpferischen Zerstörungen“ erfolgen. Auch wenn diese von Schumpeter nicht explizit als Wellen beschrieben wurden, ist man landläufig heute der Auffassung, dass z. Bsp. die industriellen Revolutionen diese „Schöpferische Zerstörung“ repräsentieren.

Merkmale dieser grundlegenden Umbrüche waren zum einen die Umbrüche selber und zum anderen aber auch lange Phasen der Konsolidierung. Durch den beschleunigten technologischen Fortschritt nimmt die Kadenz der „Schöpferischen Zerstörungen“ exponentiell zu. Die Konsolidierungsphasen entfallen und die Gesellschaft, und damit die Wirtschaft, befindet sich in einem Zustand permanenten Umbruchs.

Grundlagen

Grundannahme dieser Theorie ist der sich beschleunigende, technologische Fortschritt. Ob diese Beschleunigung exponentieller Natur ist oder nicht, ist für das Konzept der „Perpetual Disruption“ nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass der Fortschritt nicht linear, sondern progressiv ist.

Folgende Grafik zeigt die Auswirkungen des beschleunigten, technologischen Fortschritts unter Annahme, dass zwischen den Umbrüchen gleichbleibend lange Konsolidierungsphasen erfolgen würden.

Die blaue Kurve stellt den beschleunigten, technologischen Fortschritt dar. Auch nach vielen Diskussionen gibt es dafür keine saubere Messgröße. Die grünen Geraden zeigen die soziale und ökonomische Trägheit. Dies bedeutet, dass Gesellschaft und damit die Wirtschaft bis jetzt nicht die Notwendigkeit erkannte, den technologischen Fortschritt konstant mitzugehen. Das hat zum einen damit zu tun, dass sie diesen so gar nicht erkannt hatte, da die Veränderungen erst in den letzten 80 Jahren in eine Lebensspanne passen. Zum anderen waren die technologischen Fortschritte de fakto nicht attraktiv genug, da zu klein. Ich nenne diesen Effekt hier die sozioökonomische Trägheit.

Die roten Geraden stellen den Aufwand der Gesellschaft und Wirtschaft zur Adaption der neuen Technologie dar. Ich nenne das hier den sozioökonomischen Transformationsaufwand.

Kombiniert man nun die sozioökonomische Trägheit mit dem sozioökonomischen Transformationsaufwand, erhält man was ich die „Disruptions-Schuld“ nenne. Natürlich ist der Begriff an Management-Debt oder Technical-Debt angelehnt und sinngemäß zu verwenden. Es ist also eine Art Restrukturierungsrückstand, wenn Sie so wollen.

Was diese erste Grafik nun aufzeigt ist, dass wenn diese Umbrüche in den gleichbleibenden Zeitabständen (b, konstant gleichbleibende grüne Gerade) erfolgen würden, der sozioökonomische Transformationsaufwand (a) immer grösser und damit auch die (a) „Disruptions-Schuld“ immer grösser würde. Das heißt, es wird für die Menschen von Mal zu Mal schwieriger den Effort zu leisten.

Die Wirklichkeit

In Wirklichkeit haben sich die Zeitabstände in den letzten 500 Jahren jeweils verkürzt.

In der Folge verringert sich die Disruptions-Schuld (1) mit jedem Zyklus. Wenn wir den sozioökonomischen Transformationsaufwand (3) gleichbleibend behalten, nimmt die Kadenz der Umbruchszyklen zu. Das ist, was wir bei uns im Großen sehen: Die technologischen Errungenschaften, die das Leben der Menschen substantiell verbessern, treten in immer kürzeren Abständen hervor.

Botschaft

Das Konzept der Perpetual Disruption soll aber mehr als alles andere eine Botschaft an die heutige Wirtschaft und Gesellschaft (lese auch; Politik) sein.

„Davon auszugehen, dass die jetzt wahrgenommenen Veränderungen im Digitalen Bereich nur ein abermaliger Technologieschub im Geiste einer weiteren „Industriellen Revolution“ sei, ist fatal. Vielmehr sehen wir uns mit einer immer schneller werdenden Abfolge von erheblichen technologischen Verbesserungen konfrontiert. Die Antwort der Unternehmen kann keine „Transformation“ sein, sondern muss eine grundlegende Neudefinition des Unternehmensmodells darstellen. Der Wandel ist die neue Konstante.“

Neu ist, dass dieser Wandel innerhalb einer Lebensspanne etliche Male vorkommt. Die notwendige Agilität wird in Unternehmen noch nicht gelebt. Die heutigen Organisationen sind viel zu starr um in kurzer Zeit Produkte und Dienstleistungen, die auf diesen neuen Technologien basieren, zu entwickeln.

Indem Unternehmen sich jetzt auf steten Wandel einstellen und sich darauf trimmen, eine extreme Wandlungsfähigkeit zu erarbeiten, vermindern wir den sozialen Schaden, den die Schöpferischen Zerstörungen de fakto anrichten. Gleiches gilt für die Politik und Gesetzgebung.

Proaktiver Wandel

Eine Lösung ist, die sozioökonomischen Effort pro Zyklus und die sozioökonomische Trägheit zu reduzieren.

Dies hat zur Folge, dass die Schäden des Strukturwandels wie etwa Massenarbeitslosigkeit und Wertevolatilitäten vermindert und über eine längere Zeit verteilt werden. Für den Menschen ist immer dann ein Schaden einschneidend, wenn er entweder unvermittelt oder in kurzer Zeit (oder beides) eintritt. Sind die Veränderungen negativ und erfolgen diese in kleinen, absehbaren Schritten, wird das grundsätzlich besser aufgenommen. Das gilt sowohl für den einzelnen im privaten Bereich wie auch für ganze Gesellschaften.

Anzunehmen, dass die jetzigen Veränderungen nur eine Digital Transformation benötigten und/oder es sich allgemein um die 4. Industrielle Revolution handelt, ist für Unternehmer fatal. Denn dann, wenn nach historischer Wahrnehmung eine Konsolidierung einsetzen sollte, beginnt bereits die nächste Umwälzung. Und darauf sind Unternehmen dann nicht vorbereitet.

Die Folgen ungestalteter Veränderungen konnten wir in der Geschichte bereits ausgiebig beobachten. Der Schaden (lese menschliches Leid) war jeweils beträchtlich. Die heutigen Veränderungen kommen nicht per se überraschend. Trotzdem findet noch keine ernsthafte, übergreifende Auseinandersetzung statt.

Durch eine rechtzeitige (sprich heutige) Auseinandersetzung mit einem generellen Paradigmenwechsel hin zu einem konstanten Wandel könnte die Gesellschaft und damit die Wirtschaft also Ihre Zukunft sichern. Das Bewusstsein einer „Perpetual Disruption“ ist dieser Auseinandersetzung förderlich.

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4 Antworten auf „Das Konzept der Perpetual Disruption.“

Vielen Dank für diese klare Darstellung. Es gelingt Ihnen das, was ich intuitiv wahrnehme und nicht immer in Worte zu fassen vermag, nachvollziehbar zu machen. Ich erlebe den Wandel seit geraumerZeit als ein permanentes Ringen um treffende Worte, um die teilweise schwer fassbaren Veränderungen für mich und andere zu beschreiben und be-greifbar zu machen.

Ich kann dem nur zustimmen. Ich stelle immer wieder fest, dass in der Schweiz – und auch in Europa – die Digitale Transformation nach wie vor missverstanden wird. Viele verstehen sie lediglich als das Aufkommen von neuen Produktionsmethoden, von neuen Marketingkanälen, welche einfach die alten Methoden ersetzen. Nichts Neues unter der Sonne, so könnte man denken.

Was hingegen noch kaum verstanden wird, ist die strategische Dimension dieser Entwicklung. In vielen Bereichen der Wirtschaft führt die Digitale Transformation zu einer totalen Disruption, bestehende Geschäftsmodelle werden komplett umgepflügt. Deshalb genügt es nicht, bestehende Geschäftsmodelle einfach anzupassen, es ist vielmehr nötig, sie auf völlig neue Grundlagen zu stellen. Es braucht – wie dies die Amerikaner so treffend zu sagen pflegen – ein ganz neues Mindset.

Im Moment ist keine Verlangsamung dieser Entwicklung absehbar; der Begriff «Perpetual Disruption» bringt die Sache deshalb sehr gut auf den Punkt.

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