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Digitalindustrie

9 Dinge die Sie ihrem Digital-Dienstleister nicht sagen sollten

Spreche ich mit Branchenkollegen, kommen wir immer mal wieder auf Aussagen von potentiellen Kunden, die uns zum Schmunzeln bringen. Zeit für eine kleine Sammlung mit zugehörigen Kommentaren.

(Lesedauer: 4 Minuten)

„Wir möchten das Amazon für [xyz] werden“

Das ist ein Klassiker schlechthin. Selbst Vorstände von großen Unternehmen können davon nicht lassen. Das hört sich dann so an: „In 3 Jahren möchten wir das Amazon der Gewindeschrauben – Industrie werden“. Wobei „Gewindeschrauben“ ein beliebiger Platzhalter ist, den Sie frei austauschen können.

Der Satz tönt cool, nach „Think Big“. Enthüllt aber, dass Sie zwei Dinge fundamental nicht verstanden haben. A) Die Firma hat 18 Jahre gebraucht, um zu dem zu werden, was sie heute ist. Es ist eine riesige Wette auf die Idee, dass man früher oder später volle Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette erlangt, wenn man nur gross genug ist. Gesamte Wertschöpfungskette heißt auch Produktion, falls das unklar sein sollte. Und B): Es gibt schon ein Amazon für die Gewindeschrauben-Industrie. Es heißt Amazon.

„Unsere Kunden kaufen nicht online“

Den Online-Kunden gibt es nicht und es gibt nur noch ganz wenige ausschließliche Offline Kunden. Vielleicht kaufen in ausgewählten Bereichen viele Leute nicht Online, aber sie nutzen für ihre Recherche zu Kaufentscheidungen das Internet. Ich habe darüber bereits einen längeren Artikel geschrieben.

„Das soll so daherkommen wie Apple“

Hört man nicht mehr so oft. Ist mir aber auch 2015 in Workshops mit großen Unternehmen begegnet. Apple hat eine eigene Design-Handschrift, wobei ich „Design“ bitte nicht als auf die visuelle Gestaltung reduziert verstanden wissen möchte. Wenn Sie das nun kopieren, sehen Sie einfach ein bisschen aus wie Apple. Sie sind es deswegen noch nicht. Ein Freund meinte vorletzte Woche zu mir: „Hast Du gesehen, die neuen UBS Filialen sehen aus wie kleine Apple-Stores. So peinlich.“

Anders als Sie vielleicht denken, ist sowas kein „Quick-Win“, sondern ein „Quick-Fail“. Haben Sie Mut (und Budget) und geben Sie Ihrem Unternehmen eine eigene Handschrift. Das ist etwas, was sich langfristig auszahlt.

„Die Suche soll einfach so sein wie bei Google“

Zweifellos der meistgenannte Spruch. Das Problem hier: Er zeigt, dass Sie entweder die Google Suche nicht verstanden haben oder einfach nicht die leiseste Ahnung von Software-Engineering haben. Jeder Dienstleister wird denken: „Hoffentlich hast Du auch das Budget von Google“. Was Sie ja zweifellos nicht haben. Lassen Sie diesen Spruch ersatzlos weg. Und beschreiben Sie die Suche in simplen Userstories.

„Klar machen wir das agil, einfach zum Fixpreis“

Erst in den letzten 3 Jahren so richtig aufgekommen, zeigt dieser Satz, dass „Agile“ als Buzzword angekommen ist, Sie sich aber nicht darauf verpflichten wollen. Außerordentliche Softwareunternehmen arbeiten aber nun mal agil und meist ohne Fixpreis. Ich kann nur davor warnen, Agile und Wasserfall virtuos kombinieren zu wollen. Was dabei rauskommt, nenne ich: „Agile Fall“. Nicht schön.

„Die Kosten sind für uns zweitrangig. In erster Linie geht’s um die Skills“

Das Muster dieses Satzes ist nicht so eindeutig. Ich hab ihn schon oft gehört und es ging vielen Firmen tatsächlich nicht um die Kosten. Denen tue ich hier jetzt unrecht. Trotzdem werde ich hellhörig, wenn ich das lese. Denn wird im selben Dokument dann auch noch eine detaillierte Kostenschätzung mit Garantien und Zusagen, womöglich noch in einem vorgegebenen (völlig mühsamen) Preis-Struktur-XLS gefordert, weiß ich, dass das eine Plattitüde ist. Es geht mehr als alles andere um den Preis. Damit habe ich kein Problem. Aber schreiben Sie es doch auch hin.

„Wir senden das RFP an 10 Anbieter“

Der Killer schlechthin. Die gute Agentur wird absagen, die schlechten Agenturen denken sich: „Ok, eine Herausforderung“. Genau das, was Sie wollen? Wohl nicht. Also machen Sie Ihre Hausaufgaben und erarbeiten Sie eine Shortlist. Gerne auch über ein RFI, das minimiert den Aufwand für Sie und die Dienstleister erheblich und gibt Ihnen eine erste gute Ausschlussrunde.

„Wenn das erste kleine Projekt gut läuft, haben wir noch ganz viele große Projekte“

Ich bin jetzt bald seit 20 Jahren im Business unterwegs. Nicht in einem einzigen Fall habe ich nach dem ersten kleinen (günstigen) Projekt, das gut lief, nachher einen nennenswerten Umsatz mit der Firma machen können. Heute sage ich bei solchen Aussagen direkt ab.

„Wir brauchen nur einen Standard-Shop“

Höre ich in der Branche sehr oft, dass das so nachgefragt wird. Lassen Sie mich das ganz klar sagen: Den Standard-Shop gibt es nicht. Man kann wohl für 5.000 Euro irgendwas aufsetzen, das funktional läuft. Aber ein vollwertiger Shop, der wirklich auch bedeutenden Umsatz für Ihre Firma beitragen soll, kostet im Minimum 150k EUR. Und in der Regel nochmals initial denselben Betrag für Promotion. Wie immer bestätigen die Ausnahmen die Regel. Aber machen Sie sich nichts vor: Nur wer sät und zum Junggemüse schaut, wird auch ernten können.

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Eine Antwort auf „9 Dinge die Sie ihrem Digital-Dienstleister nicht sagen sollten“

Eine sehr schöne Aufstellung, danke! Das mit dem kleinen Projekt und grossen Folgeprojekten habe ich allerdings schon mehrfach erfolgreich in Aktion gesehen und stellt für mich das allerbeste Mittel da, um langfristige Stabile Zusammenarbeiten in Angriff zu nehmen.

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