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Freiheit durch Bargeld? Friede durch Waffen?

Ich verfolge die Debatte um die Abschaffung des Bargelds schon relativ lange und je mehr ich darüber lese, desto mehr bin ich verwirrt von den Voten selbst gestandener Ökonomen. Offenbar wird, um ein aufwändiges, anfälliges und kostspieliges System zu erhalten, alles Ideologische in eine Waagschale geworfen. So verwunderlich ist das denn auch nicht, denn die sachlichen Argumente sprechen nicht dafür, weiter Münzen und Noten zu entwickeln und zu drucken.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Sachlich falsch

Auslöser dieses Artikels war eine kurze Buchrezension von Max Ottes Streitschrift «Rettet unser Bargeld» in der Handelszeitung. Die darin aufgestellten Behauptungen zeugen von einer Kurzsichtigkeit, wie sie wahrscheinlich nur Leute entwickeln können, die nichts Bestehendes in Frage stellen können. Ein paar Kostproben?

 «frei zirkulierendes, stabiles, staatliches Geld ist ein wichtiger Bestandteil einer freien Gesellschaft und transparenten Wirtschaftsordnung»

Ich kann mir nicht erklären, wie er darauf kommt. Bargeld ist weder stabil, noch fördert es eine transparente Wirtschaftsordnung. Ganz im Gegenteil. Geld ist ein politisches Instrument, mit dem ohne zu zögern Nationalansprüche durchgesetzt werden. Die Zeche für diese Manöver bezahlen immer, absolut immer die Bürger der Länder. Und transparente Wirtschaftsordnung: Ich bitte Sie, gerade die Intransparenz der Geldströme hat doch dazu geführt, dass Wirtschaftsverbrechen und Steuerdelikte so enorm populär werden konnten. Und das anonyme Geld hat die unsägliche Verbandelung von Politik und Wirtschaft erst möglich gemacht.

«Facebook, Google und Apple – die Datenkraken – bekommen dann noch mehr Daten»

Mehr Daten als jetzt? So ein Quatsch. Hat Max Otte schon mal eine App bar bezahlt? Diese Art von Argumenten ist reine Augenwischerei. Auf den ersten Blick logisch, auf den zweiten Blick blanker Unsinn. Die Mehrheit der Geldtransaktionen dieser Welt ist bereits heute mit Bargeld gar nicht zu machen. Das gilt für kleine wie für sehr grosse Beträge. Die Tech-Companies bekommen nicht mehr relevante Daten, als sie das heute schon haben.

«Auf jede Transaktion können die Betreiber dieser Zahlungsmittel eine Gebühr erheben und damit gewaltig mitverdienen am Ende des Bargelds.“

Natürlich verdienen Transaktionsanbieter Gebühren auf bargeldlose Zahlungsmittel. Sollen die Kosten, so wie beim Bargeld, vom Staat und damit von uns Steuerzahlern summarisch bezahlt werden? Man vergisst immer wieder wie viel Bargeld de Fakto kostet. Und wie wenig relevant es mittlerweile für unser Zahlungssystem ist.

„Die Konsequenz für Konsumenten: Sie können Waren und Dienstleistungen nicht mehr vergleichen, es fehlt die Preistransparenz. Zusätzlich verschwände auch jegliche Privatsphäre.“

Max Ottes Argumentation ist, dass die Abschaffung von Bargeld zu individualisierten Preisen führen würde. Ich sehe nicht, was das mit dem Bargeld zu tun hätten. Um individualisierte Preise effektiv einzuführen benötigt man extrem viele Daten über den Kunden und, das vergessen die meisten, über den Kontext des Kaufs. Nur damit lassen sich, entlang des Verursacherprinzips, zusätzliche Margen für die Unternehmen abschöpfen. Individualisierte Preise haben viel mehr mit Akzeptanz zu tun als mit Transparenz. Wie das geht, macht uns die Luftfahrtbranche vor. Was das mit dem Bargeld zu tun hat? Ich kann es nicht erkennen.

Zudem, wenn wir von Preistransparenz sprechen, woher kommt denn die heutige, so noch nie dagewesene Preistransparenz? Vom Bargeld? Merken Sie selber.

Uns so geht das Ganze weiter. 48 Seiten rückständige, endzeitige Schreibe. Viel Noise, da wo Signal sein sollte. Es geht mir gegen den Strich, aber ich muss es in dieser Deutlichkeit schreiben.

Die liebe Freiheit

Die ideologische Keule packen die Bargeld-Befürworter dann aus, wenn sie mit der Freiheit kommen. Diese ist uns heilig. Wenn wir schon nur das Wort Freiheit hören, möchten viele Leute zu den Waffen greifen und an die Grenze stehen und alles, was uns lieb und treu ist verteidigen. Dass dies für jeden Menschen bei genauer Betrachtung etwas sehr Individuelles ist, vergessen wir in diesen Momenten. Auf diesen Effekt zielt der Autor der Streitschrift auch ab. Wie kann man denn gegen unsere Freiheit sein?

Die Freiheit eines jeden hört aber in einer Gemeinschaft dort auf, wo sie gegen die übergeordneten Interessen ebendieser Gemeinschaft steht. Das perfide daran ist, dass das, was uns von der Politik bisweilen als übergeordnete Interessen verkauft wird, nicht zwingend auch wirklich übergeordnete Interessen sind. Es lohnt sich schon kritisch zu sein.

So ist es auch mit dem Bargeld oder mit Waffen. Wir wollen die Steuerhinterziehung abschaffen? Gut dann müssen wir ein lückenlos nachvollziehbares und transparentes Geldsystem schaffen, das solche Delikte verunmöglicht. Beides geht aber nicht, Steuerhinterziehung abschaffen und trotzdem freies und anonymes Geld haben. So simpel ist das: Man muss sich entscheiden, weil man beides nicht haben kann.

Neue Technologie = neue Möglichkeiten

Wenn wir heute das Geld erfinden wollten, würden wir wieder Münzen und Scheine einsetzen? Wohl kaum. Die Nachteile sind gewaltig.

Ich denke, es gibt heute ganz einfach viel bessere technologische Möglichkeiten persönliche, kleinere Zahlungen zu machen. Die ersten Anbieter in diesem Bereich sind die Wegbereiter für eine umfassendere Reform unseres Geldwesens. Denn es setzt sich über lang und kurz das durch, was für den Endkunden am meisten Vorteile hat. Und da sieht es für Bargeld nicht gut aus.

Blockchain

Wie ein solches System aussehen könnte, zeichnet sich langsam aber sicher ab. Blockchain als Basistechnologie könnte die Transparenz und Sicherheit der Transaktionen gewährleisten.

Ein weiteres Thema ist die Diversifizierung von Geld. Zentralisierung war ein notwendiges Übel, weil die verschiedenen Währungen nicht zu kontrollieren und sehr umständlich waren. Mit Blockchain würde dies hinfällig, ein Staat könnte so den Rahmen bilden, um private Währungen zu zulassen. Das eröffnet für die Finanzierung ganz neue Dimensionen und kann die Kosten erheblich senken. Für alltägliche Geschäfte und Preisauszeichnung könnte eine Indexwährung geschaffen werden. Ein solches System wäre weit weniger anfällig für Kollapse und politische Einflüsse und es wäre viel, viel günstiger.

Ein Beseitigen der technischen Schuld

All das ist erst möglich, wenn die technischen Voraussetzungen und die Akzeptanz bei der Bevölkerung geschaffen werden. Bargeld ist damit unvereinbar. Zu starr, zu intransparent und zu fälschungsanfällig ist es in der täglichen Handhabung. Nicht ohne Grund wird an der Ablösung des Bargelds gearbeitet. Es ist ein erster Schritt in ein Finanzsystem, dass für die Gemeinschaft besser ist. Und nicht etwa ein Angriff auf die Freiheit. Oder so.

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5 Antworten auf „Freiheit durch Bargeld? Friede durch Waffen?“

@Frederic Gaus, @Alain Veuve

Das ist doch der Punkt.

Vor wenigen Jahren hiess es noch, (Wechselkurse fixieren oder) Negativzinsen „könne“ es nicht geben, niemand würde das versuchen oder wollen oder können.

Bisher können sie das mit Privaten nicht machen oder nur in sehr geringem Masse (je nach deren Trägheit); wird es denen zu bunt, legen sie sich Bargeld unter das Kissen oder Edelmetall/Steine.

Ist das Bargeld weg, wird der Staat über Negativzinsen und andere Massnahmen entschuldet und der Bürger beherrscht oder enteignet. Und natürlich würde das so kommen – es wäre kinderleicht und ein feuchter Traum für die Helden aus Politik und Wirtschaft. Gebt das Geld aus oder vergesst es, nehmt, was wir euch „geben“ oder vergesst es.

Dazu völlige Kontrolle und die Erfassung jeden Schrittes eines jeden (was davon noch fehlt).

Edelmetall/Steine würde man natürlich auch verbieten (müssen und können).

Alles, wie immer, schön zeitlich abgestuft und mit Salamitaktik. Nach zehn oder zwanzig Jahren weiss das niemand mehr zuzuordnen oder ist sich bewusst, dass es mit Bargeld nicht so hätte laufen können.

(Die Parallelgesellschaften werden, weil nicht so blöd, wohl nicht mitmachen, sondern sich mit Hawala o. ä. zu helfen wissen.)

Wer bisher nicht aufmerksam war, kann sich das vielleicht alles nicht vorstellen. Das ist dann ein richtig „guter Bürger“.

Und der glaubt auch, dass alles wieder nur zu unserem Besten gedacht ist, weil ja so bequem und (angeblich) kostensparend.

Tom

Nein Tom das ist so nicht korrekt. Aus drei Gründen;

– Es ist bereits heute möglich und Praxis Negativzinsen zu erheben,

– Es ist nicht möglich, dass eine breite Masse an Leuten, Geld abzieht und unter das Kopfkissen legt. Zum einen gibt es nicht soviel Bargeld, zum anderen führt das zum Kollaps des Zahlungsverkehrsystem https://de.wikipedia.org/wiki/Geldmenge

– Die Abwertung der Währung durch Politik ist heute schon im grossen Stil eine „plausible“ Möglichkeit zur Wirtschaftspolitik, da Geld, vereinfacht gesagt, immer eine Schuldverschreibung des Staates ist, entscheidet die Kreditwürdigkeit über Werthaltigkeit des Geldes. Negativzinsen sind in dem Kontext ein Vehikel, das Nationalbanken anwenden um die wirtschaftspolitischen Ziele (z. Bsp. allzustarke Aufwertung einer Währung) durchzusetzen.

Mal abgesehen davon, dass ich mich wohler fühle, wenn nicht jedes Überraschungsei und jede Flasche Wasser, die ich kaufe, irgendwo zentral getrackt wird: Jedes technische System ist hackbar. Mit Sicherheit auch Blockchain.

Was heute als „sicher“ gilt, ist es in einigen Jahren vielleicht schon nicht mehr (AES z.B. gilt derzeit als „sicher“, weil es nicht genug Rechenleistung gibt, um es per brute force zu knacken. D.h. da ist schon ein Verfallsdatum dran – wie an fast jeder Verschlüsselungstechnologie).

Und was ist mit politisch gewollten „Hintertüren“, mit denen die Sicherheit ausgehöhlt wird, unter dem Deckmantel der Terrorismusabwehr? Wodurch auch immer unser Bargeld ersetzt werden wird, es wird politisch gewollt unsicher genug sein, um manipuliert und ausgewertet zu werden, weil es nicht in einer technisch idealen Umgebung deployed wird, sondern in einer politischen Gesellschaft.

Das Bargeld als „zu fälschungsanfällig“ zu bezeichnen, gleichzeitig aber daran zu glauben, dass eine technische Lösung absolut sicher wäre, hat schon etwas religiöses.

Auch ist es schon ein Unterschied, ob ich ein paar Apps und meinen Kühlschrank elektronisch nachvollziehbar bezahle, oder wirklich alles, was man kaufen kann. Elektronisch verfügbare Daten verlocken zur automatisierten Auswertung, und bei dieser können durchaus „kuriose“ Ergebnisse entstehen, die handfeste – und ungerechtfertigte – Nachteile für den Betroffenen bringen. Heute ist es vielleicht nur die verweigerte Einreise in die USA. Was kann es morgen sein?

Ich bin Post-Snowden lieber etwas weniger technikgläubig. Auch wenn das bedeutet, dass irgendwer Steuern hinterziehen oder Geld aus kriminellen Aktivitäten waschen kann. Als ob das mit technisiertem Bargeld (und einem versierten Hacker) nicht möglich wäre!

Hallo Alain,

ein Argument gegen die Abschaffung des Bargelds ist immer die Gefahr, dass ohne Bargeld negative Zinsen möglich wären. Wie siehst du das?

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