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Digital Transformation

Mobile Payment Quo Vadis?

Es ist Fintech. In Deutschland wie auch in der Schweiz. Viele Initiativen und Start-Ups entstehen gerade. Noch mehr wird darüber geredet. In der kleinen Schweiz versuchen sich gleich verschiedene größere Firmen an Mobile Payment Apps und auch wenn ich solche Motivation und Aktion löblich finde, denke ich die gezeigten Lösungen zielen ins Leere. Here is why.


(Lesedauer 4 Minuten)

Das Problem

Bezahlen ist immer noch mühsam. Egal mit welchem Zahlungsmittel. Es geht zu lange, ist meist kompliziert und teuer. Abwechselnd für den Kunden oder den Anbieter oder wie im Falle von Bargeld für beide. Die Kartenzahlung war ein erster Meilenstein, um das Bezahlen einfacher zu machen. Inzwischen ist groß mehrheitlich Technologie vorhanden, um starke Vereinfachungen herbeizuführen.

Aber die Finanzbranche kam bis jetzt nicht in die Gänge. Zu stark ist der bequeme Mix aus gemütlichen, bestehenden Revenue-Streams und dem abschreckenden Investitionsvolumen und Paradigmenwechsel, den eine ernsthaft neue Lösung mit sich bringen würde.

Beispiel Schweiz

Und so machen sich die Unternehmen daran innovativ zu sein. Das heißt z. Bsp. im Falle der UBS (und der Zürcher Kantonalbank) dann Paymit: Eine App, die es ermöglicht unter Freunden Geld zu senden. Use Case: Unter Kollegen bestellen wir Pizzas, einer bezahlt den Lieferdienst und muss dann das Geld von den anderen irgendwie wieder bekommen. Da springt Paymit ein, in dem es kostenlose Banküberweisung per App ermöglicht. Tiefe Limiten sorgen dafür, dass ich damit auch wirklich nur die Pizzarechnungen ausgleichen kann.

Eine andere Lösung heisst Twint und wurde von der Schweizerischen Postbank (Postfinance) lanciert. Mit dieser App kann ich wohl in Geschäften bezahlen, diese müssen aber über einen speziellen Beacon verfügen, um die Zahlung anzunehmen. Das heisst die Läden müssen mit Equipment ausgestattet werden. Und so gibt es auf der Seite von Twint dann so eine beschauliche Übersicht aller Stores, in denen ich zahlen kann.

Anstatt ich mich als Konsument weniger ums Bezahlen kümmern muss, gibt es also noch mehr Arbeit, da ich mir die Stores auswählen soll. Immerhin kann ich die App mit entsprechend genügenden Limiten ausstatten, dass ich meine täglichen Ausgaben begleichen kann. Wenn es denn genug Stores gäbe und wenn ich immer schön in der Schweiz bliebe.

Retailer Migros einmal mehr in der Vorreiterrolle

Eine Vorreiterrolle nimmt meiner Meinung nach jedoch die Migrosbank ein. Ihre App, MobilePay P2P, bietet dieselbe Funktionalität wie Paymit, kann jedoch auch für die kreditkartenlose Zahlung in Online-Shops benutzt werden. Bin ich Kunde bei der Migrosbank, können auch entsprechend brauchbare Limiten verwendet werden. Zudem wurde das Migros-Bezahlsystem nun auch in die Migros Retail-App integriert. Das heißt, ich kann meine Einkäufe am Migros POS per App bezahlen. Das ist schon ziemlich gut. Trotzdem denke ich, wird es für Migros MobilePay schwierig, sich durchzusetzen, da es (noch) keine anderen Banken mit einbezieht. Trotzdem, die Chance besteht, dass Migros mittelfristig im Mobile Payment Markt gut mitmischen kann. Das Nutzen einer bestehenden Userbasis mit einem klaren Use-Case ist einer der Schlüsselpunkte, um in den Markt zu finden. Das hat Migros in der Schweiz.

Niemand hat Angst vor Apple Pay. Sollten sie aber.

Ich mache keinen Hehl daraus: ApplePay finde ich das spannendste Produkt, dass Apple seit dem iPhone lanciert hat. Es ist einfach, schnell und überall verfügbar. Überall verfügbar? Ja, ist es. Jedes POS Terminal das NFC basierte Zahlungen abwickeln kann, kann auch Apple Pay.

Angeregt durch Erich Althaus‘ Tweet:


Habe ich in den letzten Tagen selbst mit Apple Pay ein paar mal bezahlt. Das folgende Video habe ich mit meiner Teamkollegin in einem Dorfladen auf dem Land nahe Basel in der Schweiz aufgenommen. Es zeigt wie ich ihr mit meinem iPhone Kaugummi kaufe:

Bezahlen war letzte Woche auch in Amsterdam, Frankfurt und Helsinki möglich. Alles in Ländern, die offiziell noch gar nicht über Apple Pay verfügen. Wie geht das? Ganz einfach, man stellt seinen iTunes Account auf Gebietsschema USA (oder UK) um und hinterlegt eine amerikanische (oder britische) Kreditkarte.

Lustig war auch der Kommentar der Verkäuferin auf meine Frage ob ich das Bezahlexperiment durchführen darf: „Ja, klar doch. Mir ist alles recht, Hauptsache es geht schnell und der „Zettel“ (die Bestätigungsquittung) kommt raus.“

Technisch alles da

Die Infrastruktur um Apple Pay Zahlungen vorzunehmen, ist in Europa sehr verbreitet. Traditionell Kreditkarten affine Länder wie z. Bsp. Dänemark haben eine hohe Verbreitung von Zahlungsterminals, welche mit NFC arbeiten. Neue Terminals werden fast ausschließlich mit NFC ausgeliefert. MasterCard verordnet sogar den NFC Zwang per 2018 in Deutschland.

Warum so langsam Apple?

So manche Vertreter der Finanzbranche fühlen sich von der eher langsamen Verbreitung (sprich dem Launch in den jeweiligen Ländern) von Apple Pay darin bestätigt, dass ein Markteintritt nicht so einfach sei. Und ja natürlich ist das nicht so einfach. Aber Apple hat schlicht und einfach die besten Voraussetzungen. Zum einen eine riesige Userbasis von denen gefühlte 30% nur darauf warten, auch einfacher bezahlen zu können.

Zum anderen aber ist die Technologie, um die Zahlungen abzuwickeln global bereits vielerorts am POS vorhanden. Und dann ist da Apple Wallet, das den Bezahlvorgang so einfach wie möglich macht. Keine zusätzliche App installieren, kein Login, kein Guthaben aufladen, keine Limiten, kein gar nix. Es ist schlicht und einfach unkomplizierter, als mit Bargeld zu bezahlen. Und so, liebe Banken, sollte es sein.

„Kein Big-Bang Rollout“ ist ziemlich clever

Dass Apple sein Apple Pay nicht auf einen Schlag global ausrollt, ist ziemlich logisch: Niemand möchte den riesigen Load, den ein Big Bang Launch mit sich bringen würde, auf so einem System haben wollen. Vertrauen und Sicherheit ist im Paymentbereich alles. Daher sollte man alles daran setzen, eine Lösung so reibungslos wie möglich einzuführen. Das macht Apple gerade.

USA als Testmarkt?

Darum haben sie mit USA einen relativ kleinen Markt ausgewählt. Denn was die meisten Leute nicht wissen, ist, dass die USA zwar in Sachen Kreditkartenzahlung wohl ganz vorne mitspielt, hinsichtlich Contactless Payment aber noch komplett in den Kinderschuhen steckt. Die POS in Europa, das schon früh auch auf PIN-basierte Zahlungen gesetzt hat, sind bereits zu einem größeren Anteil mit NFC Technologie ausgestattet. Die Bewährungsprobe für Apple Pay findet also über kurz oder lang außerhalb Europa statt.

Sterbebegleitung für die Kreditkartenfirmen

Ein anderer Grund warum es wohl einfacher war in den US zu starten, ist, dass man ein paar Finanzinstitute mit an Board haben wollte. Apple hätte zwar auch recht einfach eine eigene Bank gründen können, aber man wollte sich wohl nicht gerade die komplette Branche zum Feind machen.

Und so spielt man nun auf Zeit: Einerseits hatte man sich durch die Kooperation mit Kreditkarteninstituten und Banken einen indirekten Zugang zum Girokonto des Kunden geschaffen und damit die Reichweite zur Userbase von Anfang an gesichert. Andererseits ist es aber auch völlig klar, dass es über kurz oder lang die Kreditkarte in dieser Kette nicht mehr benötigen wird. Konsumentenkredite wie sie die Kreditkarte bietet, sind beliebt und bestehen weiter, diese Kredite können aber mittelfristig auch genau so gut von Apple selbst kommen.

Und so kommen mir die Kreditkartenfirmen ein bisschen wie Rinder vor, welche sich mit dem Versprechen auf besonders sattgrüne Wiesen direkt zum Schlachthof leiten lassen. So richtig nachtrauern mag ich ihnen nicht. Sie hatten sehr lange Zeit, um sich dem Thema anzunehmen, taten aber eigentlich nix und müssen sich nun von einem Computerhersteller aus Kalifornien vorführen lassen. Damit sind sie nicht alleine, aber es war schon eine Entwicklung, die völlig absehbar war.

Wolf im Schafspelz

Dabei ist Apple nun erstmal verträglich und betont, wie wichtig die Zusammenarbeit mit der Finanzbranche ist. Das ist sie im Moment auch. Sobald aber die Kundenbeziehungen da sind und sehr viele Menschen einfach mit Apple Pay bezahlen, wird sich das allmählich ändern. Und für die Vertreter der Finanzbranche wird sich das anfühlen, als würde der Wolf seinen Schafspelz ablegen. Dabei macht Apple ganz einfach nur die Hausaufgaben in dieser Branche: Mit neuer Technologie und neuem Konzept Prozesskosten senken und die Transaktion für den Kunden vereinfachen. Das ist nicht richtig oder falsch, sondern ein universelles Gesetzt in Bezug auf die Art und Weise wie wir Technologie nutzen.

Schweiz und Deutschland

Apple hält über die Launch-Termine für die einzelnen Länder bedeckt. In letzter Zeit wurde UK gelauncht. Bis zur Publikation dieses Artikels habe ich von Apple auf meine Nachfrage bezüglich Launch-Termine keine Antwort erhalten. Ich erwarte eigentlich auch keine.

Klar ist, allzu lange wird es nicht mehr dauern. Bis dahin dürfen sich die Tapits, Paymits und Mobile P2Ps noch über Ihre App-Downloaderfolge freuen. Danach wird im Markt für Mobile Payment Lösungen Schwung aufkommen. Dass sie bei dieser Welle mitschwimmen werden können, wünsche ich ihnen sehr. Leider bezweifle ich das aber ebenso sehr. Ich denke aus gutem Grund.

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