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Digital Transformation

Diese Branchen sind leichte Beute!

Ich werde relativ oft gefragt, welche Branchen denn besonders gefährdet seien, einen Umbruch zu erfahren. Die Liste ist vergleichsweise lang. Und die Frage ist zwei-dimensional: Zum einen gibt die Antwort darauf einen Hinweis, wo bestehende Player besonders aufmerksam sein sollten. Zum anderen gibt sie einen Hinweis, in welche Startups es eventuell besonders lohnenswert ist zu investieren. Interessanter als diese Liste der Branchen finde ich das Erkennungsmuster, das hinter dieser «Liste» liegt. Denn es ist eigentlich ganz simpel.

(Lesedauer: 4 Minuten)

Fokus auf Investitionen und Start-Ups

Wer meinen Blog liest, weiß, dass ich von diesen Gefahrenkarten hinsichtlich der Digitalen Transformation nicht so viel halte. Wenn ich mich denn entscheiden muss, stehe ich auf der Seite der Erneuerer, also jenen die versuchen Branchen umzubrechen. Und offen gesagt, machen wir uns ziemlich viele Gedanken darüber, wo das besonders effektiv sein könnte und wo wohl eher nicht.

Ich denke, es gibt ein gewisses Muster zur Erkennung von Branchen, die reif für einen Umbruch sind. Folgende Parameter würde ich genauer analysieren:

Anteil repetitive Arbeiten

Der Anteil der repetitiven Arbeiten an der gesamten Wertschöpfung ist ein wesentlicher Faktor. Dabei gibt es zwei Kategorien: Repetitive manuelle und repetitive maschinelle Arbeit. Es ist selbstredend, dass repetitive, manuelle Arbeit durch den Einsatz von Technologie ersetzt werden kann. Zum anderen ist dies meist auch bei maschineller Arbeit der Fall.

Das hat damit zu tun, dass meist viel effizientere Technologie zur Verfügung steht, als bei den Branchen im Einsatz ist. Als Faustregel gilt für mich: Sind Systeme älter als 5 Jahre, ist die Chance über 50%, dass man mit neuer Technologie erhebliche unternehmerische Vorteile generieren kann.

Branchenstandards

Dass die bestehenden Branchen da nicht weiter sind, hat in der Regel damit zu tun, dass sie sich schlicht nicht genug darum kümmern. Es werden Systeme vom bewährten Hersteller einfach eingekauft. Man orientiert sich an Konkurrenten, anstatt sich an dem, was möglich ist zu messen. Was daraus resultiert, ist ein methodologischer Branchenstandard.

Eine Konvention nicht darum bemüht zu sein, auch auf den ersten Blick undenkbare Wege zu gehen. Branchen, die altbewährte und umfangreiche Branchenstandards pflegen, sind beinahe immer interessante Kandidaten. Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Innovation der Evolution weichen musste.

Überdurchschnittlich hohe Saläre

Werden in einer älteren Branche überdurchschnittlich hohe Saläre bezahlt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Branche in der Regele keinem großen Wettbewerb ausgesetzt ist. Dieser Faktor ist heikel, da die Höhe der Saläre verschiedenen Umstände haben kann. Auch solche, welche mit der Innovationsfähigkeit einer Branche nichts zu tun haben. Lese ich jedoch von hohen Salären wie z. Bsp. in der Rechtsberatung, ist das sicher eine Motivation, mir dieses Segment genauer anzusehen.

Ungepflückte, technologische «Low-Hanging Fruits»

Wenn in der Branche ganz offensichtliche technologische Vorteile nicht genutzt werden, ist es immer interessant. Wichtig dabei: Achten Sie auf vermeintlich unbedeutende Details. Viele Branchen vermasseln die Customer Experience mit Details. Das ist ein beliebter Angriffspunkt für Start-Ups.

Kunden-Hass-Faktor

Je unbeliebter eine Branche bei den Kunden ist, desto interessanter ist sie grundsätzlich für neue Start-Ups. Dass die Kunden auf die bestehenden Player sauer sind, hat immer damit zu tun, dass diese etwas falsch machen. Und das ist Potential das brachliegt.

Diese Branchen sind leichte Beute.

Lohnt es sich auch?

Die zweite Dimension ist die Frage, ob es sich auch lohnt, in Branche XY etwas zu machen. Ich denke, es lohnt sich, wenn mindestens zwei der folgenden Punkte gegeben sind.

Eine relativ zum Problem grosse Kundenbasis

Ich rege immer wieder an, in Kundenproblemen zu denken und Produkte außen vor zu lassen. Ein Beispiel für ein Problem wäre das Wäschewaschen. Ich bin überzeugt davon, dass Business Engineering sich mit der Lösung dieser Probleme immer wieder neu befassen sollte. Dabei geht es um folgende 3 Fragen:

  1. Welche Technologie steht für die Lösung des Problems zur Verfügung?
  2. Was akzeptiert eine breite Masse der Gesellschaft als Lösung für das Problem?
  3. Welche Lösung des Problems lässt sich wirtschaftlich verantworten?

Heutige Unternehmenslenker machen den Fehler, dass sie viel zu stark in bestehenden Produkten und damit in gedanklichen Trampelpfaden denken. Darum sind sie nicht in der Lage, stark verbesserte Produkte zu erarbeiten.

Um auf das Beispiel des Waschens zurück zu kommen, muss die Frage lauten: Wie können wir das Problem des Wäschewaschens heute lösen? Und nicht: Wie muss die Waschmaschine der Zukunft aussehen?

Nun gibt es große und kleine solche «Probleme». Ist ein Problem klein, äußert es sich dadurch, dass nicht per se alle Menschen daran interessiert sind. Als großes Problem gilt für mich ein Case, der im Extremfall alle Menschen lösen wollten, gäbe es eine Lösung dazu. Eine Lösung für Krebs z. Bsp. fällt in diese Kategorie.

Wie interessant nun eine Branche für ein neues Venture ist, hängt davon ab, wie viele Kunden die Branche für die Lösung des Problems bereits akquirieren konnte. Das steht natürlich in Wechselwirkung zur angebotenen Lösung und es ist oft schwierig genug, das auseinander zu halten.

Es gilt jedoch allgemein: Je grösser die Kundenbasis für große Probleme ist, desto interessanter ist die Branche.

Neue Technologie

Der zweite Punkt ist die Frage, ob neue Technologie verfügbar ist, um diese Probleme zu lösen. Das ist in den allermeisten Fällen so. Ich wiederhole mich bezüglich Produkten und Problemen. Neue Technologie heißt in diesem Zusammenhang nicht eine Verbesserung des Bestehenden, sondern eine Neu-Definition der Lösung. Darum ist im Moment alles Digitale so erfolgreich. Es lassen sich mit Software viele Probleme eleganter und einfacher lösen.

Altersdurchschnitt des C-Level Managements

Ich habe schon viel über die Führungsriege von Corporate Europe geschrieben und warum ich denke, dass sie nicht dazu bestimmt ist, gute Unternehmer zu sein. Kurzum: Die Mentalität des Verwaltens, des Bewahrens, das Sicherheitsdenken ist das Quorum einer ganzen Staffelung von Generationen. So hart das tönt: Ich denke, sie sind leichte Opfer. Weder haben diese Leute das Mindset wirklich neue Konzepte zu lancieren, noch haben sie die Motivation dazu, da sie eher an Rente als Revolution denken.

Darum gilt, je höher der Altersdurchschnitt des Managements in einer Branche, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Player in kurzer Zeit den Markt umbrechen kann.

Eintrittsbarrieren

Die Frage ob es sich lohnt, in einer Branche einen neuen Player aufzusetzen, richtet sich in hohem Mass nach der Höhe der Eintrittsbarriere. Diese unterteile ich folgende Kategorien:

  1. Reifegrad der notwendigen Technologie (wie viel muss noch entwickelt werden)
  2. Finanzbedarf (zunehmend vernachlässigbarer Faktor)
  3. Regulation (vernachlässigbar)
  4. Time to Market (es gibt immer Zeitfenster, die sich schließen)

Liste mit Branchen

Da ich wie eingangs erwähnt, oft danach gefragt werde, hier nun eine kleine, nicht abschließende Liste von Bereichen, welche Potential bieten oder als Branchen stark gefährdet sind, wenn sie so wollen:

  • – Medizin
    – Rechtsberatung
    – Energiewirtschaft
    – Versicherungen
    – Banking
    – Automotive / Transportation
    – Logistik
    – Retail & Grocery
    – «Legacy Informatik»
    – Bildung
    – Politik & Government

 

 

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3 Antworten auf „Diese Branchen sind leichte Beute!“

Danke für den Artikel, ein sehr breites interessantes Feld. Disruption durch Software wälzt einige Branchen derzeit um, was nicht schlecht ist. Es ist schlicht ein Umdenken nötig, das ist die eigentlicher Herausforderung des Ganzen. Der Hebel von menschlicher Arbeit zu algorithmischer Arbeit ist einfach umgelegt – der im Kopf ist etwas schwerer.

Eine hervorragende Analyse. in einem Punkt bin ich nicht einverstanden. Ich bin 63 Jahre alt und denke nicht an Rente. Gerade habe ich ein Start-Up gegründet, um ein großes Problem aller Branchen mittels Forensischer Interventionssysteme zu lösen. Wir haben eine Methodologie entwickelt, die es möglich macht Risiken und Schwachstellen zu systematisch zu identifizieren und daraus Lösungssysteme entwickelt, welche alle Arten von Regelverstößen in der Entstehungsphase erkennt und Interventionen ermöglicht. Bei Anwendung der Methode könnten Situationen wie jüngst bei VW oder dem Beispiel des Berliner Flughafens nicht geschehen. Wenn Forensische Systeme erst einmal implementiert sind, ist ihr Betrieb zudem wirtschaftlich. Für Betrieb und Wartung genügen meist nur 2 Mitarbeiter. Diese 2 Mitarbeiter ersetzen unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel eine komplette Compliance-Abteilung u.v.a.

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