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Die Agentur der Zukunft: Systematisierung & Automatisierung?

In den letzten Wochen durfte ich etliche Gespräche zur Zukunft von Werbe- und Webagenturen führen. Zum einen beschäftigt die Konsolidierung der Agenturszene viele Leute. Auf der anderen Seite kommt aber auch das Abrechnungsmodell immer mehr in die Diskussion. Wo soll und kann die Reise also hingehen?

(Lesedauer: 5 Minuten)

Segmente und Definitionen

Wenn wir von einer Agentur sprechen, dann verstehen wir meist alle etwas Anderes darunter und ich denke, es ist natürlich falsch alle Firmen über den selben Kamm zu ziehen. Zu divers sind die Dienstleistungen, ist die Größe der Unternehmen und vor allem die Komplexität und Kreativität der Arbeit. Wenn ich also im Folgenden von Agenturen spreche, grenze ich dieses Feld auf die typische kleinere Agentur zwischen 10 und 50 Mitarbeiter ein.

Diese Unternehmen erbringen meist weniger komplexe, weniger infrastrukturgetriebene, dafür aber umfassendere Dienstleistungen für kleine und mittlere Kunden. Kunden rufen solche Firmen an, wenn sie im Online-Marketing weiterkommen möchten. Typische Dienstleistungen sind: Websites aufbauen, einfache Shops implementieren, Newsletter- und Facebook Marketing aufsetzten, etc. Darüber schreibe ich heute.

Kundenstimmen

Ich kenne viele Leute, die als Entscheidungsträger in KMU arbeiten und ich höre oft, dass sie die Internet-Agenturen als umständlich und teuer erleben. Dass die Projekte zwar gemacht werden, nachher aber nicht mehr so viel kommt. Dass Firmeninhaber bei Verkaufsgesprächen Vertrauen schaffen und Professionalität vermitteln und diese Versprechen vom nachfolgenden Team nicht oder nur bedingt eingehalten werden können.

Manch einer klagt, dass die Dienstleistungsdichte zu tief sei und sie sich nicht verstanden fühlen. Man muss dazu natürlich auch sagen, dass es etliche Kunden gibt, die schlicht übersteigerte Erwartungen haben. So hat mir letzthin ein Bekannter erzählt, dass er eine Newsletter Kampagne hat machen lassen und nicht eine einzige Bestellung per Email rein gekommen sei. Das sei ein Skandal. Und eine Frechheit. Schließlich habe die Kampagne mehr als EUR 2.000 gekostet. Harte Nüsse, die man vielleicht gar nicht knacken will.

Gefangen in Best Practice

Und wenn ich mir so ansehe, was da von den Agenturen alles so gemacht wird in dem Bereich, denke ich viele von uns sind gefangen in einem Best-Practice-Denken. Man muss z. Bsp. eine Website haben. Man muss Newsletter machen. Man muss AdWords machen. Und Twitter muss man auch. Diese Art von Generalisierung bringt meist schlechte Resultate und das ist dann das, was der Kunde mitbekommt.

Vielfach ist es aber eben differenzierter. Als der Wirt meiner Industriegebietskneippe letzthin an meinem Mittagstisch auftauchte und mich fragte, was er denn im Web machen sollte, wusste ich nicht so richtig was sagen. Ich fragte ihn stattdessen, was er denn denke. Seine Antwort: Er habe ein paar Agenturen angefragt und alle hätten ihm vorgeschlagen, eine Website machen zu lassen. Die Angebote seien zwischen EUR 7k und 20k. Wenn er aber seine Kunden anschaue, habe er das Gefühl Facebook wäre das richtige. Denn diese wären immer irgendwie vor und nach dem Essen, und manchmal auch während des Essens, auf Facebook.

Ich dachte «guter Mann». Und antwortete ihm, dass er ja jetzt wisse, was zu tun ist.

Fehlendes Knowhow beim Kunden

Er meinte darauf allerdings, dass er keinen Plan von Facebook habe und ob ich ihm nicht helfen könne (Seine Preisvorstellung: «Kriegst Du Essen gratis in 2016 & 2017»). Er habe nämlich niemanden gefunden, der das mit ihm machen könne respektive wolle.

Ich denke, dieses Beispiel ist exemplarisch für viele kleine Kunden. Sie würden ganz gerne Geld ausgeben, das aber ohne riesigen Anfangs-Invest und Overhead. Kleine Kunden wollen eher unterstützt, begleitet und gecoached werden. Sodass sie früher oder später in der Lage sind, Onlinemarketing selber zu machen. Durch die Grösse ihres Unternehmens können sie einfach niemand dediziert dafür anstellen. Also müssen sie es über kurz oder lang selber lernen.

Viel zu klein

Als Agenturvertreter werden Sie sagen: „Ui bleiben Sie mir bloss mit solch kleinen Aufträgen fern.“ Und ich bin ganz bei Ihnen, solch kleine Aufträge können wir mit unseren Agenturstrukturen nicht abdecken. Bevor mir alle schreiben, die es trotzdem machen: Ja es gibt Euch – die Ausnahmen zur Regel. Ich weiß.

Was die Branche aber verkannt, ist das riesige Potential, das da schlummert. In der Schweiz haben wir etwas über 500.000 Unternehmen, welche in der Kategorie 0-10 Mitarbeiter rangieren. Von insgesamt rund 600.000. Alle diese Unternehmen müssen ihr Marketing früher oder später umstellen. Mehr in Richtung Digital. Rechnen wir also einmal wie ein Milchmädchen und sagen, dass rund 50% der 500.000 überhaupt Bedarf hätten und dass diese im Schnitt EUR 5.000 pro Jahr für Marketing ausgeben können, landen wir bei einem Marktpotential von 1.25 Mrd. Sie können es auch noch downscalen, es bleibt eine gewaltige Zahl. Nur für die Schweiz wohlgemerkt.

Das ist definitiv interessant. Nur haben wir leider im Moment nicht die Strukturen und das Business-Modell dazu. Und den unternehmerischen Willen.

Wie könnte man dieses Marktpotential nutzen?

Es ist klar, dass es nicht möglich ist, mit dem konventionellen Agenturmodell dieses Potential zu erschliessen. Denn Agentur- und Softwarebusiness ist meist einfach Handwerk. Wir haben in dem Bereich noch nicht einmal Industrialisierung. Das gilt im Übrigen auch für die großen Softwaredienstleister.

Ich denke, um eine Firma zu schaffen, welche diese kleinen Kunden gut bedienen kann, müsste man, nicht abschließend, folgende Faktoren berücksichtigen:

Fixe Produktpakete mit fixen, monatlichen Preisen

Ich bin als Unternehmer ein großer Fan von Subskriptionsmodellen. Die Kleinkunden haben logischerweise eine Aversion gegen große Einmalzahlungen, sind dagegen aber sehr offen für monatliche fixe kleine Raten. Das hat unternehmerisch riesige Vorteile, da Umsätze extrem gut geplant werden können.

Eine Dienstleistung für eine fixe monatliche Rate zu erbringen, hat aber einen anderen weit grösseren Vorteil. Sie sind als Unternehmer gezwungen, möglichst effizient zu sein. Denn jeder Euro den sie in der Erbringung einsparen, ist ein gewonnener Euro. Das generiert den natürlich Druck Effizienzsteigerungen voranzubringen. Etwas, was wir im heutigen «Abrechnung nach Zeit Modell» nur sehr, sehr begrenzt tun, weil es uns eben nichts bringt.

Systematisierung & «Methodenkongruenz»

Diese Dienstleistungen zu erbringen, ist fachlich meist keine „Rocket-Science“. Ich höre Sie jetzt gerade sagen, es ist doch alles kompliziert und individuell. Das geht so nicht. Und ich gebe ihnen insofern recht, dass es durchaus Dinge gibt, die sehr komplex sind, wenn es um Online-Marketing geht. Dabei handelt es sich aber um die letzten 20% des Unterfangens. Was wir bei neuen Kleinkunden hingegen tun müssen, sind Grundlagen schaffen und Informationen vermitteln.

Beides kann man extrem gut systematisieren und in einer generalisierten Methodik unterwerfen. In dem wir das tun, erhöhen wir die Qualität dieser Dienstleistungen und senken gleichzeitig die Kosten. Beides in einschneidendem Masse.

Automatisierung

Hat man mal diese Prozesse systematisiert, kann man sich daran machen, konsequent zu automatisieren. Da es sich um viel Software handelt, ist das leichter als sonst wo. Dadurch erlangt man den «unfairen Wettbewerbsvorteil» (schreibe ich bald mal was darüber).

Gerade gestern hat mir Robert Lindh, einer der Gründer von resultify, einer Online Marketing Factory in Schweden, eine neue Plattform gezeigt, mit welcher Sie für Ihre Kunden die Werbemittel-Erstellung (Micro-Content für Social Media), das Management, die Abrechnung und das Ausspielen auf verschiedene Kanäle automatisieren. Was in einer klassischen Agentur 1.5 Tage dauert, erledigen diese Leute in einer 1 Stunde.

Radikal guter Support und persönliche Betreuung

Bei so viel Organisation, Optimierung und Automation könnte man in Versuchung kommen und denken, dass kleine Kunden sich selber unterstützen und man Online-Hilfen zur Verfügung stellen sollte. Betriebswirtschaftlich gesehen wäre das auf den ersten Blick traumhaft. Die Sache hat aber mindestens einen erheblichen Hacken: Die Kunden wollen das nicht.

Im Gegenteil. Die Kunden sind unersättlich, was direkten Zugang, telefonische Erreichbarkeit, Mitarbeiterkompetenz, etc. angeht. Nicht im tatsächlichen Konsum dieses Supports, sondern in der Erwartungshaltung. Anstatt das nun als Problem zu sehen, sollte sich ein neuer Anbieter dem Thema annehmen. Am besten grad vorwegnehmen z. Bsp. mit 24/7 1st Level Support. Alles inklusive – versteht sich.

Ein wirklich superber Support ist aber auch etwas, das sonst viel bringt. Ich habe hier letzthin was dazu geschrieben.

Sie werden jetzt denken, das kann man sich ja nie leisten. Ich behaupte doch, das kann man. Denn ein Teil der Effizienzgewinne durch Systematisierung und Automatisierung muss in den Support gesteckt werden. Sonst funktioniert das Modell nicht.

Skaleneffekte

Ich denke, eine solches Unternehmen wird ab rund 500 Kunden aufwärts interessant. Erst in dem Bereich lohnt es sich Zeit in Methodologie und Automatisierung zu stecken. Wirklich richtig Geld verdient man mit der Möglichkeit, einmal entwickeltes auf extrem viele Umsatzträger umzulegen. Man kann damit ein Produkt schaffen, dass so niemand manuell resp. auf althergebrachte Weise erbringen kann.

Alternative schaffen

Und darum geht es denn auch. Nicht die nächste Agentur zu gründen, sondern dem Kunden eine echte Alternative zu bieten. Etwas, was mit nichts wirklich vergleichbar ist, dem Kunden aber eben erhebliche Vorteile bietet. Gibt, so ganz nebenbei, auch eine unglaubliche Marketingstory her.

Ich bin sicher nicht der Erste, der diesen Markt der Kleinkunden als Potential sieht. Und doch gibt es niemand, der sich dem annimmt. Warum eigentlich nicht?

Ich glaube, dass wir in unserer Branche viele gute Handwerker haben und wenige wirkliche Unternehmer. Während sich der Erstgenannte einfach an die Arbeit macht und ein Projekt umsetzt, kümmert sich der Unternehmer darum, die Strukturen zu schaffen, um konzeptionell zu wachsen. Das bedeutet mit vielen Unbekannten umzugehen und erstmal zu investieren und Risiko zu nehmen.

So lange das Agenturgeschäft mit dem bisherigen Modell so easy läuft, werden wir wohl keine grossen Veränderungen sehen. Ausser es macht es mal jemand. Risikokapital würde im Moment grad genug zur Verfügung stehen. Also: Unternehmer vor.

 

Interessant?
Wenn weitere Agenturvertreter Interesse an Austausch und Diskussion über Geschäftsmodelle der Zukunft haben, bitte einfach melden. Ich vermittle/koordiniere gerne etwas.

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